Creative Cities Conference on Collaboration for Economic Development

Creative Cities Conference on Collaboration for Economic Development

Organisatoren
Berliner Landesinitiative "Projekt Zukunft" im Rahmen der "Global Alliance for Cultural Diversity"
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.09.2006 -
Von
Anita Schlögl, Center for Metropolitan Studies TU Berlin

In den letzten Jahren ist in der wissenschaftlichen Literatur wie in der stadtpolitischen Praxis verstärkt von kreativen Eigenschaften der Städte die Rede: "Creative City"1, "Cultural Industries"2, "Culturepreneurs"3, "Creative Economy"4 oder "Creative Class"5 sind nur einige der Begriffsverbindungen von Kreativität und urbaner Lebensform, die zu den Hoffnungsträgern der städtischen Ökonomie zählen. Der Begriff Kreativwirtschaft bezeichnet eine neue Verbindung von Kultur und Ökonomie, Wachstumsmotor und Garant metropolitaner Wettbewerbsfähigkeit. Gemeinsam bilden sie jenes "kreative Feld"6, das durch Attrahierung von Kunst- und Kulturschaffenden spezifische Voraussetzungen für neue Arbeits- und Lebensorganisationen der Wissensindustrie stellt.

Die von der Landesinitiative Projekt Zukunft initiierte Konferenz zum Thema Creative Cities stellte das Potenzial der Kreativwirtschaft als Treiber wirtschaftlichen Wachstums in europäischen Städten – darunter Berlin, Edinburgh, Kopenhagen, London, Mailand, Oslo und Wien – an den Ausgangspunkt der Tagung. Mittels eines Erfahrungsaustausches zwischen den städtischen Repräsentanten wurde versucht, gemeinsame Einsichten in die kulturwirtschaftlichen Handlungsfelder der Städte zu gewinnen. Ergänzend zu den Best-Practice-Beispielen traten Vertreter der UNESCO und der EU-Kommission wie auch internationale Experten zum Thema kreative Ökonomien auf. Die gemeinsame Diskussion über Wachstumsdeterminanten der Kulturwirtschaft, politische Rahmenbedingungen sowie organisatorische Strukturen und Strategien auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene sollten den Austausch zwischen den Städten anregen. Das darauf aufbauende "Berliner Manifest" wird das erste Ergebnis der Bemühungen um Wissenstransfer und stärkere Zusammenarbeit der kreativen Städte Europas darstellen.

Der erste Teil der Tagung widmete sich der Frage nach den politischen Ansätzen, Kreativität und Innovation in den Städten zu fördern und den notwendigen Strukturwandel zu kultur- und wissensbasierten Industrien zu stärken. „Detektive und Täter“ sieht der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf in jenen politischen Akteuren, die die Kreativitätspotenziale in ihren Städten aufspüren, zusammenbringen, vernetzen und neue Ideen auf dem Fundament dieser Zusammenschlüsse erwachsen lassen. Das Wechselspiel zwischen Kultur und Wirtschaft, Kunst und Kreativität, politischen Mandaten und privatwirtschaftlichen Unternehmungen verlange „allen persönlichen Eitelkeiten der Ressorts zum Trotz“ nach verwaltungsübergreifenden Initiativen.7 Die Strategien der Städte zur Etablierung kreativwirtschaftlicher Kernkompetenzen bauen auf einem schmalen Grad zwischen ökonomischer Effizienz und kulturellen Inhalten – beides gelte es gemeinsam zu betrachten und zu fördern, so die Berliner Staatssekretärin für Kultur Barbara Kisseler.

Sylvain Pasqua von der Europäischen Kommission für Bildung und Kultur hob den Zusammenhang zwischen Kultur und Wirtschaft auf die europäische Ebene. Die Rolle von Kreativität im europäischen Kontext bezieht sich nach Pasqua neben der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Identität vor allem auf die sozioökonomischen Aktivitäten und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsraumes. Die "Lissabonner Strategie" des Europäischen Rates zur Förderung eines dynamischen wissensbasierten europäischen Wirtschaftsraumes gelte es weiter zu einem Programm für Kreativwirtschaft auszubauen.

Das UNESCO-Netzwerk der kreativen Städte zur Förderung kultureller Vielfalt und Kreativität präsentiert von Alexander Schischlick widmete sich diesem Anliegen durch die Auszeichnung einzelner Städte als spezialisierte kreative Zentren. Berlin konnte 2005 den Titel "UNESCO-Stadt des Design" erwerben, was nach Schicklick nicht zuletzt auf den kreativen Entwicklungsprozess Berlins nach der Wende zurückzuführen sei. Neben Design zählen Literatur, Film, Musik, Medien, Volkskunst und Gastronomie zu den von der UNESCO ausgezeichneten Kategorien der Kreativwirtschaft.

Der Brite John Howkins, Autor des Buches "The Creative Economy" und Professor an der Shanghai School of Creativity, schloss die erste Präsentationsrunde mit einem Appell an die politischen Funktionsträger. Er betonte, dass der Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit kreativer Metropolen davon abhänge, inwiefern es gelänge, die Bedürfnisse der Kreativschaffenden in die politischen Strategien zu integrieren. Nur jene Städte, die begriffen, dass die Creative Industries keine neue Wirtschaftsbranche, sondern vielmehr eine Geisteshaltung, ein Motiv und Gestaltprinzip der Gesellschaft sei, können für diese Entwicklung Kategorien und schließlich Strategien entwickeln. Der „western view of creativity“ sei für Howkins zu elitär, erst die gemeinschaftsbasierte Einbeziehung aller Menschen in die kreativen Tätigkeiten garantiere eine Stabilisierung der neuen Arbeits-, Freizeit- und Lebensbedingungen.

Im zweiten Teil der Konferenz standen Referenten ausgewählter europäischer Städte und ihre Strategien und Erfahrungen zur Unterstützung Kreativer im Mittelpunkt. Luigi Vimercati stellte Mailand als kreative italienische Metropole dar, die lange bevor die Begriffe Kreativität und Kreativwirtschaft in aller Munde waren, ihre Kernkompetenzen in Mode und Design entwickelt hatte. Die bewährte Verknüpfung von Kreativität und Massenproduktion erfahre heute durch den Übergang zu einer kreativen Dienstleistungsgesellschaft neue Impulse durch die Werbe- und Medienbranche. Mailand versuche des Weiteren ihre designbasierte Kreativität noch stärker in andere Branchen zu integrieren, dadurch Innovationen zu stimulieren und das hohe Niveau der Designausbildung in Mailand zu erhalten.8

Warum Edinburgh zur ersten "UNESCO Stadt der Literatur" ernannt wurde, klärte Ali Bowden abseits des schlagkräftigen Arguments der schriftstellerischen Heimat von Joanne K. Rowling und Harry Potter. Konzentration von Autoren und Verlagen, räumliche Verdichtung zu einem innerstädtischen Literaturzentrum im historischen Herzen Edinburghs und das jährlich stattfindende, weltweit größte Literaturfestival, nannte Bowden hierfür als Gründe. Das Beispiel Edinburgh verdeutliche eindrucksvoll wie das Unesco-Label die städtischen Potenziale durch professionelle Organisation und dem gewonnenen Aufmerksamkeitsüberschuss in geldwerte Synergien überführen konnte. 9

Lykke Leonardsen zeigte mit Kopenhagen ein breites Verständnis der kreativen Potenziale der dänischen Hauptstadt. Die positiven Tendenzen an Konzentration von Kreativen und Kreativwirtschaft versuche Dänemark heute, so Leonardsen, durch zwei Strategien weiter auszubauen. Einerseits gelte es, die kulturelle Basis der Kreativwirtschaft durch "Deregulation" und eine Politik der Ermöglichung zu festigen, zum anderen der schwindenden Flächenverfügbarkeit in Kopenhagen durch "Zoning" – also das Ausweisen von bevorzugten Gebieten der Kreativwirtschaft – entgegenzusteuern. Dieser Zusammenführung kultur- und marktbasierter Strategien entsprechend, stand Kopenhagen als Beispiel für ein eher umfassendes Verständnis von Kreativität. 10

Mit der norwegischen "Technopole" Oslo warf Erling Fossen die Frage nach der Bedeutung der klassischen Industrie im Rahmen der Creative Industries auf. Energiewirtschaft, Bio- und Kommunikationstechnologie zählen neben dem schnell wachsenden Kultursektor heute zu den wichtigsten Wirtschaftsbranchen der Stadt. Der "Kulturcluster", so Fossen, sei in Oslo besonders fragmentiert und in hohem Maße von öffentlicher Förderung abhängig. Oslo unterstütze aber weiterhin diesen Bereich, da die positiven Effekte auf die klassischen Industrien nicht zu unterschätzen seien. 11

Mit Adrienne Goehler mündete der zweite Teil der Tagung in die Situation Berlins, dargestellt als Stadt, die die Möglichkeit habe, ihre Kreativen in neue Erwerbstätigkeiten zu überführen. Die deutsche Hauptstadt ist von Goehler gedacht als Laboratorium, geprägt von der Abwesenheit traditioneller Industrien und Beschäftigung: „Berlin ist arm und reich“ – arm an klassischer Erwerbsarbeit und Grundkapital, reich an Studenten, Jugend und Menschen mit "Cross-Cultural-Backgrounds". Die Einbettung dieser "Reichtümer" in wirtschaftliche Prosperität bedinge aber Personen und ein Gegenüber in der Politik, die auf die "Verflüssigungen" der überholten Arbeitsweisen nicht mit einer reaktiven Verfestigung auf unsozialer Basis reagieren. 12

Der dritte und letzte Teil der Tagung warf die Frage nach der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit der Konzentration auf Creative Industries auf und versuchte dabei sowohl die Ebene der kreativen Selbstständigen und Unternehmen sowie die städtische Ebene und ihre Katalysatorfunktion für die Kreativwirtschaft mit einzubeziehen. Die Wirtschaftskraft der Kulturwirtschaft steht nach Susanne Binas-Preisendörfer zwar außer Frage, lasse sich jedoch schon aufgrund der Definitionsungenauigkeit nicht exakt ausmachen. Die Begriffe Kulturwirtschaft – Kreativwirtschaft – Creative Industries schließen jeweils unterschiedliche Wirtschaftszweige in ihre Betrachtung mit ein; keiner von ihnen sei jedoch ein statistischer Begriff, der Kenngrößen und Daten als Vergleichsgrundlage liefern könnte. Andreas Wiesand führte die Überlegung weiter: Angaben zu Unternehmen und Beschäftigten sind abhängig von der Definition, die den Berechnungen zu Grunde liegen. Darüber hinaus ist die Kreativwirtschaft im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen höchst kleinteilig organisiert, diese Mikrostrukturen verlangten nach anderen ökonomischen Vergleichsmodellen als es bislang üblich war.

Die grundlegend andere Form der Unternehmensorganisation führte Bastian Lange zurück auf den hybriden Begriff des "Cultural Entrepreneurs", der im Unterschied zu den Selbstständigen vor 20 Jahren heute einer unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, die von Selbstmarketing, Netzwerkstrukturen und Innovationsdruck gekennzeichnet ist. Notwendige Kooperationen bei gleichzeitiger Konkurrenzsituation seien aber nur eine von den strukturellen Paradoxien, die die Creative Industries auszeichnen: Mikrobusiness, Multitasking, Symbolproduktion und kulturelle Ökonomisierung nannte Binas-Preisendörfer als Gründe, warum die Wirtschaftlichkeit und die Anziehung der kreativen Sektoren vor allem für junge Leute schwer auszumachen sei.

Offen ließ die Diskussion, ob die Attraktivität der Kreativwirtschaft, von der vor allem die metropolitanen Regionen profitieren, lediglich zu einer Umverteilung des gesamtwirtschaftlichen Gewinns oder zu realem wirtschaftlichen Wachstum führen würde.

Das "Berliner Manifest zur Kulturwirtschaft" als verschriftlichtes Ergebnis der Tagung, gedacht als solides Fundament, auf dem künftige Kooperationen zwischen den kreativen Städten aufbauen können, steht bislang noch aus. Hochgesteckt sind zumindest die Ziele: Zusammenarbeit als Antwort auf Wettbewerb, Städtepartnerschaften anstatt Konkurrenz – in einem Feld, welches zum Wettbewerbsgaranten der Metropolen hochstilisiert wurde, das die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas sichern soll und dessen schmale Marktkonkurrenz den Arbeitsalltag der ungezählten Selbstständigen, kleinen und mittleren Unternehmen prägt.

Eine Abfederung des interstädtischen Wetteifers durch die von Schicklick empfohlene Konzentration auf einzelne Kreativsektoren widerspricht der Auffassung Howkins, dass die Entwicklung zu wissens- und kulturbasierten Industrien kein Marktsegment bildet, das traditionelle Industrien unbeeinflusst lässt. Kreativwirtschaft gedacht als ein umfassendes gesellschaftliches Gestaltprinzip, gekennzeichnet von Flüchtigkeit und symbolhaftem Produktionscharakter, speist sich in alle Wirtschaftsbereiche ein. Attrahierung von Unternehmen einer Wertschöpfungskette begünstigt weitere – auch sektorenfremde – Akkumulationen, da die Durchlässigkeit von Kreativität nicht auf einen Bereich beschränkt bleibt. Manche Städte wie das Modemekka Mailand sind in ihrer kreativen Ausrichtung profilschärfer als andere Städte. Berlin schmückt sich in wechselnder Folge mit Titeln wie "Capital of Talent", "Musikhauptstadt" oder "UNESCO-Stadt des Design". Gut kommunizierbare Slogans und Labels sind eher als Beweis, denn als Ausweg zu sehen, dass die kreativen Metropolen Europas in Konkurrenz zueinander stehen. Nur auf Grundlage dieses Bewusstseins sind Kooperationen überhaupt möglich. Städte können nicht kooperieren, nur Personen; Netzwerke speisen sich aus städtischen Vertretern. Diese so transparent wie möglich zu halten, gilt es zu berücksichtigen.

Anmerkungen:
1 Landry, Charles, The Creative City. A Toolkit for Urban Innovators, London 2000.
2 Wynne, Derek, The Culture Industry: Arts in Urban Regeneration, Avebury 1992.
3 Lange, Bastian, Socio-spatial strategies of Culturepreneurs, in: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie 49 (2005).
4 Howkins, John, The Creative Economy. How people make money from ideas, London 2003.
5 Florida, Richard, The rise of the Creative Class, New York 2002.
6 Scott, Allen, The Cultural Economy of Cities, London 2000.
7 <http://www.harald-wolf.net/article/123.berliner_manifest_der_kulturwirtschaft.html> (04.10.2006)
8 <http://www.milanomadeindesign.com> (04.10.2006)
9 <http://www.cityofliterature.com/> (04.10.2006)
10 <http://www.copcap.com/composite-7910.htm> (04.10.2006)
11 <http://www.oslo.technopole.no/> (04.10.2006)
12 siehe auch Goehler, Adrienne u.a., Verflüssigungen. Wege und Umwege vom Sozialstaat zur Kulturgesellschaft, Frankfurt am Main 2006

http://www.berlin.de/senwiarbfrau/projektzukunft/themen/kultur/ccc_2006_praesentationen.html
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